Dr. Michael Laitman To Change the World – Change Man

Israel – das geliebte Land, das alle verlassen wollen

Es ist nicht Israel, das die Israelis nicht mögen; es ist der Funke der Einheit in den Israelis

Wenn man den Umfragen glaubt, und es ist fraglich, ob man das tun sollte, dann ist Israel ein sehr glücklicher Ort. Dem jährlichen World Happiness Report von 2017 zufolge ist Israel das elftglücklichste Land der Welt. Der Ökonom und Sonderberater der United Nations, Generalsekretär Prof. Jeffrey Sachs, sagte in Hinblick auf den Bericht: „Glückliche Länder sind diejenigen, die eine gesunde Balance zwischen Wohlstand und sozialem Kapital haben, also ein hohes Maß an Vertrauen in die Gesellschaft, wenig Ungleichheit und Vertrauen in die Regierung.“ Wenn Israel, das seine Position in den letzten drei Jahren behauptet hat, so ein wunderbarer Ort zum leben ist – es rangiert höher als Deutschland, Japan, USA und Großbritannien – warum zeigen dann andere Umfragen, dass „mehr als ein Drittel der Israelis, die in Israel leben, das Land verlassen würden wenn sie könnten“?

Das Problem der Israelis ist nicht Israel selbst, sondern die anderen Israelis, die dort leben. In einfachen Worten ausgedrückt, wir können einander nicht leiden. Aber es wollen nicht nur viele Israelis im Ausland leben; Israelis, die ausgewandert sind, assimilieren sich stärker als jede andere jüdische Gruppe. Offensichtlich wollen Israelis, die im Ausland leben, ganz und gar mit dem Judentum aufräumen.

Warum der Selbsthass

Die jüdische Nation gleicht keiner anderen. Nationen werden gewöhnlich aus einer gemeinsamen Kultur oder Ethnizität, oder beiden, gebildet. Die jüdische Nation ist das genaue Gegenteil. Der Midrash (Bereshit Rabah) und Maimonides (Mishneh Torah) geben uns detaillierte Auskunft über die Entstehung unseres Volkes: „Abraham begann die ganze Welt anzurufen…indem er von Stadt zu Stadt und Königreich zu Königreich wanderte, bis er im Lande Kanaan ankam…Und als sie sich um ihn versammelten und ihn über seine Worte befragten, lehrte er jedermann.“

Abraham lehrte sie sich zu verbinden. Da die Menschen, die zu Abraham kamen, weder biologische Verwandtschaft noch geographische Nähe miteinander teilten, war die Idee der Einheit alles, was ihnen gemein war. Abraham, Isaak, Jakob, Joseph, Moses, sie alle lehrten das Volk Israel über die Einheit. Als sie unter der Führung von Moses aus Ägypten flohen, waren sie immer noch kein Volk. Sie erhielten diesen Status erst, als sie sich damit einverstanden erklärten, sich „wie ein Mensch mit einem Herzen“ zu verbinden.

In diesem Augenblick wurde ihnen nicht nur der Titel „Nation“ gegeben, sondern sie wurden auch damit beauftragt, ihren einzigartigen „nationalen Klebstoff“ weiterzugeben. Die Thora befahl ihnen, „ein Licht für die Nationen“ zu sein. Die frühen Juden wussten, dass es ihre Aufgabe war, ihre Methode der Einheit mit der Welt zu teilen, genau so wie Abraham versucht hatte, all seine Leute in Babylon zu unterrichten, bevor er das Land in Richtung Israel verließ.

Annähernd 18 Jahrhunderte lang förderte und entwickelte das israelische Volk seine Verbindungsmethode. Durch außerordentliche Prüfungen und Versuche extrahierten sie die Essenz des Jüdischen Gesetzes in wenigen einfachen Worten. Wie der Alte Hillel es ausdrückte: „Was dir selbst verhasst ist, das tue keinem anderen an; dies ist die ganze Thora“ (Shabbat, 31a).

Etwa zur Zeit der Tempelzerstörung und des Exils aus dem Lande Israel versuchte Rabbi Akiva diejenigen, die noch nicht von dem internen Gezänk erschöpft waren zu unterrichten. Er erklärte, „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst; dies ist die große Vorschrift der Thora“ (Jerusalemer Talmud, Nedarim, 30b).

Leider gewann der Hass zwischen uns die Oberhand, und das jüdische Volk verstreute sich in der Welt. In Hinblick auf die Essenz des Judentums, die Nächstenliebe, hörten wir zu dieser Zeit auf Juden zu sein. Stattdessen fingen wir an, einander sogar noch mehr zu hassen als vor der Vereinigung durch Abraham. Nun machten unsere ursprüngliche Entfremdung, die gegenwärtige Feindseligkeit und die belastende Aufgabe, ein Licht für die Völker zu sein, unsere Abscheu füreinander vehement und abgrundtief.

Um das Ausmaß des Hasses zwischen den Juden zur Zeit der Tempelzerstörung zu verstehen, stelle man sich das häßlichste Scheidungsverfahren vor, das es geben kann, und übertrage dies auf eine gesamte Nation. Hätte sich das voneinander entfremdete Paar niemals getroffen, wären sie Fremde füreinander geblieben und vermutlich einander gegenüber gleichgültig. Aber nachdem sie einander begegnet sind, sich ineinander verliebt haben, um sich anschließend zu entlieben, bis zu dem Punkt gegenseitiger Abscheu, ist ihre wechselseitige Ablehnung um ein Vielfaches leidenschaftlicher als Fremde sie jemals füreinander empfinden könnten.

Diese tiefe Verachtung ist für den Widerwillen der Israelis ihrem eigenen Land gegenüber verantwortlich, und dies ist der Grund für die massive Assimilation der Juden in aller Welt. Tatsächlich wären Juden, gäbe es den Antisemitismus nicht, schon lange als Volk untergegangen. Der Hass der Völker ist das Einzige, was Juden zusammenhält.

Alles, bloß nicht jüdisch

Wenn es möglich wäre, würden wir es vorziehen, überhaupt nicht jüdisch zu sein. Achtundfünfzig Prozent der Juden heiraten weltweit außerhalb des Glaubens, und die Zahl der Mischehen unter den im Ausland lebenden Israelis ist sogar noch höher. Wann immer wir die Freiheit haben, mit der lokalen Bevölkerung zu verschmelzen, tun wir es. Und wann immer wir es tun, leiden wir schrecklich. Die beiden namhaften Beispiele dieses Prozesses sind auch gleichzeitig die traumatischsten Ereignisse in unserer Post-Tempelzerstörungshistorie: Die Inquisition mit der ultimativen Vertreibung aus Spanien und der Holocaust.

Aufgrund unserer historischen Aufgabe – den Völkern das Licht der Einheit zu bringen – ist es uns nicht erlaubt, uns bis zum Punkt völliger Eliminierung zu assimilieren. In letzter Minute kommt immer ein Erzfeind, der uns bestraft und uns zwingt, uns aufs Neue miteinander zu verbinden.

Manchmal, aber nicht immer, spüren wir, dass der Hass der Nationen mit unserem Hass aufeinander zu tun hat. Aber wenn wir es tun, ist es in der Regel zu wenig und zu spät. Zum Beispiel argumentierte Dr. Kurt Fleischer, einer der führenden Köpfe der liberalen Fraktion in der jüdischen Gemeindeversammlung Berlins, dass Antisemitismus „eine Geißel“ sei, „die Gott uns geschickt hat, um uns zusammenzuführen und zusammenzuschweißen.“

Auch heute gibt es Juden, die die außerordentliche Wichtigkeit der jüdischen Einheit für unser Überleben begreifen. Isi Leibler, langjähriger jüdischer Diasporaführer, schrieb vor wenigen Wochen an die jüdische US-Gemeinde: „Heute scheint, was als Selbstzerstörung beschrieben werden muss, eine wesentliche Anzahl unverantwortlicher Führungspersonen der erfolgreichsten und stärksten jüdischen Diasporagemeinde verrückt geworden zu sein, und sie schüren den Antisemitismus“, indem sie so parteiisch sind.

Wir können die jüngste Welle des Antisemitismus vielen Ursachen zuschreiben, aber die Wahrheit ist, dass sie auf unsere eigene Spaltung zurückgeht. Da wir ein Leuchtturm der Einheit für die Welt sein sollten, wärend wir das Gegenteil sind, verhalten sich die Völker der Welt auf diese Weise zueinander, und im Besonderen uns gegenüber. Viele von uns wollen alles, bloß nicht jüdisch sein, und wenn Nächstenliebe das Kriterium ist, sind wir es in der Tat nicht. Jedoch wird uns nichts von unserer Pflicht der Welt gegenüber entbinden. Heute sind die USA auf dem Weg zur gleichen Einstellungen gegenüber Juden wie in Europa des vergangenen Jahrhunderts.

Den Hass übergehen

Trotz dieser düsteren Prognose gibt es vieles, was wir heute tun können, was uns damals nicht möglich war. Heute sind wir uns der Lebenskraft der Einheit bewusst, die wir als Gemeinschaft als solche vorher nicht hatten. Wir dürfen nicht dasitzen und zusehen, wie die Dinge immer schlimmer werden, und wir dürfen nicht auf die Wortführer hören, die die Menschen beruhigen, während sie ihre eigene Zukunft absichern, wie es jüdische Anführer vor dem Holocaust taten. Stattdessen sollten wir eine konstruktive Haltung einnehmen und die Gelegenheiten ergreifen, die sich uns bieten, um unsere Solidarität wiederherzustellen.

In nur etwas über einer Woche werden wir Pessach feiern, das Fest der Freiheit. Aber wie können wir über Freiheit sprechen, während wir Sklaven unseres eigenen Hasses sind? In dem Buch Likutey Halachot (ausgewählte Regeln) heißt es, „Die Essenz der Vitalität, der Existenz, und der Korrektur in der Schöpfung wird durch Menschen verschiedener Anschauungen erreicht, wenn diese sich miteinander in Liebe, Einigkeit, und Frieden vermischen“.

Unsere Weisen haben immer gewusst, dass die Einheit der Schlüssel zu unserer Freiheit, unserem Glück und unserem Frieden ist. Sogar das Buch Sohar betont, wie wichtig es ist, den Hass zu überwinden und sich zu verbinden. In dem Abschnitt Aharei Mot heißt es im Sohar, „Siehe, wie gut und angenehm es ist, wenn Brüder zusammensitzen. Dies sind die Freunde, wenn sie zusammensitzen, und nicht getrennt voneinander sind. Zuerst erscheinen sie wie Menschen, die miteinander Krieg führen und einander umbringen wollen. Dann kehren sie zurück in den Zustand brüderlicher Liebe. Fortan werdet ihr euch auch mehr trennen… und durch euer Verdienst wird Friede in der Welt herrschen.“

Wir sollten wissen, dass unser Glück nicht davon abhängt, wen wir heiraten oder wo wir leben. Es hängt ausschließlich davon ab, was für eine Beziehung wir zu Menschen unseres eigenen Stammes aufbauen – den Juden. Die einzige Freiheit, die wir jetzt brauchen, ist die von unserem Hass. Wenn wir das erreichen, werden wir unsere Stellung als Licht für die Völker wiederherstellen, und die Welt wird aufhören, uns und einander zu hassen.

An unserem ersten Pessachfest, in der Sinaiwüste, verbanden wir uns und wurden zu einer Nation. Nun müssen wir es wieder tun und unser Volkssein wieder errichten.

Der Übergang (von pasach – ging vorüber, überging) wird diesmal nicht über das Schilfmeer führen, sondern über das Meer des Hasses, den wir für unsere Brüder empfinden. Wenn wir nur einen Bruchteil dieses noblen Bestrebens an diesem kommenden Pessach verwirklichen, dann könnten vielleicht die dunklen Wolken, die sich über den Juden in aller Welt zusammenziehen, nichts weiter als Regen bedeuten. Aber die Schauer haben bereits begonnen, und die Zeit wird knapp. Die Aufgabe, die vor uns liegt ist mehr als klar: Wir müssen unsere Parteilichkeit und gegenseitige Abneigung ad acta legen, und eine Bindung über unserem Hass eingehen, damit die ganze Welt dies sehen, glauben und sich daran ein Beispiel nehmen kann.

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